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Das Versprechen des obersten Porsche-Ingenieurs – und was es wert ist

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Motorsport / Race 24h of Daytona
Kleine Runde im Motorhome: Porsche-Entwicklungsvorstand Wolfgang Hatz (hinten rechts) diskutiert mit Journalisten. Ganz links am Fenster PS-Welt-Autor Stefan Anker Foto: J. Tap

Von STEFAN ANKER

Zu den Privilegien des Journalistenberufes gehört es, dass man Leute trifft (und mit ihnen spricht), die man sonst nicht so ohne weiteres trifft. Ich habe unlängst Wolfgang Hatz getroffen, den Porsche-Entwicklungsvorstand. Er sitzt auf diesem Foto hinten rechts, und wir Journalisten hören, was er sagt. Es ist eine Art Tour d’Horizon vor dem Start des 24-Stunden-Rennens von Daytona, und angesichts des späteren Rennverlaufs wäre Hatz nach dem Rennen vielleicht nicht mehr in so entspannter Plauderstimmung gewesen. Eine Stunde hat er sich Zeit genommen, aber für die wesentliche Aussage hätte auch eine Minute gereicht.

“Einen Elfer mit Vierzylinder gibt’s unter mir nicht.” Das ist ein wunderbares Zitat, weil es  so klar und unmissverständlich ist. Oder eben auch nicht.

Dieser Tage verdichten sich die Hinweise, dass der Porsche 911, eine der wenigen Ikonen im Automobilbau, wesentliche technische Änderungen erfahren wird: Es kommen auch im Modell Carrera Turbomotoren zum Einsatz, eher über kurz als über lang. Der Grund ist derselbe wie bei BMW oder Ferrari, die ebenfalls von ihrer Tradition abgewichen sind und nach und nach vom Saugmotor zum Turbo wechseln: Es liegt am Verbrauch.

Auch wenn Saugmotoren feinfühliger ansprechen und daher besonders gut zum Sport- und Renngeschehen passen: Zumindest der Normverbrauch lässt sich mit den drehmomentstarken Turbomotoren günstiger darstellen, und die künftigen CO2-Grenzwerte gelten nicht nur für Massenprodukte, sondern eben auch für Sportwagen. Also muss man in Weissach offenbar etwas tun. “An dem Thema Downsizing kommen auch wir nicht vorbei”, sagt Hatz, und er weist darauf hin, dass er schon in den 90er-Jahren gesagt habe, im Turbo-Direkteinspritzer liege die Zukunft. “Das hatten wir 2003 schon in Serie, als andere noch gar nicht darüber nachgedacht haben.”

Gut, dieser Satz bezieht sich nicht auf Porsche, sondern auf Audi, deren Motoren Hatz damals verantwortete, aber Downsizing, also das Verkleinern der Hubräume bei gleichzeitiger Beigabe eines Turboladers, ist dem Porsche-Chefingenieur genauso wenig fremd wie die Hybridisierung seiner Sportwagen. Einen Plug-in-Antrieb im Elfer wird es geben, sicher erst zur nächsten Generation, aber darauf dürfen sich Fans und Kritiker schon mal einstellen. “Wenn’s Spaß macht, warum nicht?”, sagt Hatz. “Wenn’s Performance bringt, warum nicht?”

Man kann gewiss sein, dass die extrem teure Entwicklung des Sport-Hybridsystems im inzwischen ausverkauften 918 Spyder nicht nur für eben diese 918 Autos entwickelt worden ist. Auch Porsches Engagement in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (mit den 24 Stunden von Le Mans als Höhepunkt), wo Hybrid-Rennwagen gefahren werden, dient nicht nur dem Vergnügen der Zuschauer.

Wenn man also schon dabei ist, in Weissach Spritspar-Strategien für eine gedeihliche Sportwagenzukunft zu entwerfen (Hatz sagt: “Hauptthema ist das Gewicht”), dann könnte man zumindest theoretisch auch noch den Schritt gehen, die Motoren gleich richtig zu verkleinern. Also nicht nur weniger Hubraum, sondern auch weniger Zylinder anzubieten. Weniger Zylinder bedeuten unter anderem weniger Gewicht und weniger innere Reibung, und auch damit lassen sich Verbrauch und CO2-Ausstoß reduzieren – immerhin bewegt sich selbst der kleinste Porsche-Sportwagen noch weit oberhalb der 95-Gramm-Grenze. 100 Gramm drüber, um genau zu sein. Und beim Boxster sowie seinem Coupé-Pendant, dem Cayman, werden wir in jedem Fall bald Vierzylindermotoren sehen. Turbos natürlich.

In der Elfer-Kundschaft allerdings – und vielleicht mehr noch bei den Anhängern, die keinen 911 kaufen – erhöbe sich aber wohl ein mittelschwerer Aufstand, wenn Porsche, ausgerechnet Porsche vom Sechszylinderprinzip abwiche. Zum Ikonenhaften gerade des Elfers gehört nicht nur sein Design, sondern auch sein technisches Konzept: Boxermotor mit sechs Zylindern hinter der Hinterachse. Das war bislang in Stein gemeißelt, und man würde ja auch nicht über Frontantrieb nachdenken oder den Motor aus irgendwelchen Baukosten- oder Baukastengründen von hinten nach vorn versetzen.

Insofern ist Hatz’ Zitat erwartbar und verständlich gewesen. Auch aus seiner persönlichen Geschichte als Motorenentwickler für Sport- und Rennwagen lässt sich ablesen, dass er eher zurückträte, als einen Vierzylinder für den nächsten Elfer zu konstruieren.

Nur: Was der heutige Entwicklungsvorstand sagt, muss ja nicht für alle Zeiten gelten. Die CO2-Normen dagegen, die gelten ab 2020/21 und dann höchstwahrscheinlich für immer. Und wenn sie sich ändern, dann eher in die Richtung, dass die herzlosen Öko-Bürokraten, die bei dem Gedanken an Sportwagen nichts (oder nichts Gutes) empfinden, die Daumenschrauben in Sachen Verbrauch noch weiter anziehen. Gut möglich also, dass schon heute jüngere Porsche-Ingenieure über einen Elfer mit Vierzylindermotor (und trotzdem 350, 400 PS) nachdenken. Vorentwicklung nennt man das. Ebenso gut möglich, dass Hatz davon weiß, und dass er es sogar unterstützt, weil seine Loyalität nicht einem Motorenprinzip gilt, sondern dem Unternehmen.

Es ist ja auch beim Wechsel von der Luft- auf die Wasserkühlung 1997 nicht die Welt untergegangen, obwohl Porsche damals von einer als sakrosankt empfundenen Technik abgewichen ist. Immer mal wieder ändern sich Dinge im Leben der Menschen, und dann gilt es damit umzugehen.

Allerdings: Wenn ich mir einen Porsche 911 leisten könnte, dann würde ich mir wahrscheinlich jetzt noch einen kaufen. Der ganz normale Standard-Carrera des Baujahres 2015, mit sechs Zylindern und  ohne Turbolader hat nämlich, wie es aussieht, heute schon das Zeug zum Klassiker.

Der Beitrag Das Versprechen des obersten Porsche-Ingenieurs – und was es wert ist erschien zuerst auf PS.


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